Manuela Kazmaier, Pflanzenlaborantin
Sie hat einen Beruf, den niemand kennt – ohne den die WALA aber undenkbar wäre. Manuela Kazmaier stellt Heilpflanzenauszüge her, so genannte Urtinkturen. Sie wirken in vielen unserer Arzneimittel.
Die Heilkraft-Erschließerin
Wie lässt sich die ganze Heilkraft einer Arnika oder einer Zwiebel auf ein Arzneimittel übertragen und so zwischen Natur und Mensch eine Brücke schlagen? Manuela Kazmaier über Säge und Reibschale, Geschick und Achtsamkeit, eigenwillige Arbeitszeiten und die Rhythmen des Lebens.
Sie haben einen sehr ungewöhnlichen Beruf. Wie erklären Sie Menschen außerhalb der WALA, was Sie arbeiten?
„Ich sage immer: Ich bin Laborantin. Würde ich mich als „Pflanzenlaborantin“ bezeichnen, könnte damit niemand etwas anfangen. Ich gucke dann, wie weit das Interesse meines Gegenübers reicht. Manchmal erkläre ich noch, dass ich in der Arzneimittelherstellung arbeite, dass dort alles mit der Ernte der Heilpflanzen anfängt. Wenn ich aber zum Rhythmisieren komme, steigen die meisten aus. Das ist ja auch schwer vorstellbar, wenn man es noch nicht selbst erlebt hat.“
Wir wollen es aber wissen: Was macht eine Pflanzenlaborantin?
„Sie erntet die Heilpflanzen, säubert und zerkleinert sie und gewinnt daraus wässrige Auszüge, so genannte Urtinkturen. Das ist die Kurzfassung – diese Aufgaben umfassen aber bereits sieben Arbeitstage. Hier im Pflanzenlabor beginnt die Herstellung aller WALA Arzneimittel. An zwei Standorten und zu unterschiedlichen Zeiten arbeiten gut 20 Menschen. Manche bleiben uns selbst im Rentenalter noch treu, denn diese Arbeit wird wirklich nie langweilig.“
Wie sieht ein typischer Arbeitstag im Pflanzenlabor aus?
„Zum Beispiel so: Wir treffen uns vor Sonnenaufgang im Heilpflanzengarten, um Salbei zu ernten. Je nach Jahreszeit stehen unterschiedliche Pflanzen an. Manche pflücken wir auch im nahegelegenen Wald, andere bekommen wir vom Sonnenhof oder von unserem Wildsammler. Im Pflanzenlabor eingetroffen, waschen wir uns die Hände, ziehen uns um und säubern die frisch geernteten Pflanzen im Verleseraum, wo die benötigten Werkzeuge für die Weiterverarbeitung schon bereitliegen. Für manche Pflanzen sind das Bürsten oder Raspeln, für den Salbei brauchen wir Messer, Reibschale und Pistill. Wir zerschneiden die Blätter, brechen sozusagen ihre Struktur auf, damit etwas Neues entstehen kann. Nun wird es ein wenig kompliziert, wir nähern uns dem rhythmischen Herstellungsverfahren, das Dr. Rudolf Hauschka in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt hat.“
Spannend. Was passiert jetzt mit den zerkleinerten Pflanzen? Und wieso rhythmisch?
„Erst einmal waschen wir uns erneut die Hände – wir tun das unglaublich oft – und ziehen uns noch einmal um, denn wir betreten jetzt Räume einer höheren Hygienestufe. Hier setzen wir die zerkleinerten Pflanzen mit Wasser in Tontöpfen an, je nach Rezeptur geben wir auch natürliche Hilfsstoffe hinzu. Sieben Tage lang entwickeln sich die Ansätze unter unserer Aufsicht und werden in dieser Zeit rhythmisiert. Das heißt: Wir stellen die Tontöpfe abwechselnd ins Licht und in völlige Dunkelheit, wir wärmen sie und kühlen sie wieder ab, wir rühren den Ansatz und lassen ihn zur Ruhe kommen. Wir nutzen also die Polaritäten des Lebens, um die Lebendigkeit der Heilpflanzen zu erhalten und die Ansätze zu stabilisieren. Anschließend werden sie ein erstes Mal filtriert, in Flaschen abgefüllt und geprüft.
Unsere Arbeit ist jetzt getan, aber die Urtinkur darf noch mindestens sechs Monate weiter reifen, bevor sie erneut filtriert und freigegeben wird. Dann erst verwenden unsere Kolleginnen und Kollegen die fertigen wässrigen Pflanzenauszüge für die weitere Herstellung unserer Arzneimittel.“
Das klingt nach sehr viel Handarbeit. Und Achtsamkeit …
„Ja, wir sind mit beiden Händen und all unseren Sinnen bei der Sache. Ein kleines Beispiel dazu: Wir tragen grundsätzlich kein Parfüm, damit uns der Geruchssinn auch wirklich zur Verfügung steht. Um uns Tag für Tag auf die Prozesse im Pflanzenlabor einzulassen, beginnen wir die Arbeit mit einem gemeinsamen kurzen Innehalten, bevor die Pflanze zerkleinert wird. Oft wird es dann ganz still im Raum und man ist ganz beim eigenen Tun. Denn wenn ich rede, bin ich schnell abgelenkt. Wenn ich an meine Einkaufsliste denke, bin ich in Gedanken nicht bei der Arbeit. Ich mache mir immer bewusst, dass ich ein Arzneimittel herstelle. Dass ich mit meiner Arbeit etwas für einen anderen Menschen tue. Das erfüllt mich, und deshalb mache ich das nun schon seit 20 Jahren.“
„Mir meine Tätigkeit bewusst zu machen, in die Ruhe zu kommen – das hat mich von Anfang an fasziniert.“
Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen, im Pflanzenlabor der WALA zu arbeiten?
„Ich bin gelernte Arzthelferin und Floristin und seit meiner Kindheit sehr naturverbunden. Rückblickend passt das alles zusammen. Ich habe mich bei der WALA aber eigentlich auf eine Stelle im Versand beworben. Die Personalabteilung hat mir dann das Pflanzenlabor vorgeschlagen, und tatsächlich: Ich hatte sofort das Gefühl, da möchte ich arbeiten.
Was braucht man, um Ihre Arbeit zu tun?
„Fingerfertigkeit, Geduld, mitunter Kraft und auf jeden Fall eine Verbindung zur Natur. Wir sind ja unmittelbar abhängig von den Jahreszeiten, also vom Wachstum der Pflanzen wie auch vom Tageslicht. Da wir unsere Ansätze jeden Morgen eine Stunde vor Sonnenaufgang das erste Mal rühren und eine Stunde nach Sonnenuntergang ein letztes Mal, ergeben sich sehr spezielle Arbeitszeiten, vor allem im Sommer. Der Morgendienst startet dann um 04.15 Uhr, der Abenddienst endet um 22.30 Uhr – auch am Wochenende. Aber ich kann mir gar nichts anderes mehr vorstellen.“
„Das Pflanzenlabor ist das Herz der WALA, für mich ist die Arbeit dort zur Herzensangelegenheit geworden.“
Können Sie sich noch an Ihre allererste Pflanze erinnern?
„Ja, ganz genau: Ich stand mit einem Korb im noch dunklen Garten und habe Oxalis, also Sauerklee, gepflückt. Wir ernten unsere Heilpflanzen normalerweise vor Tagesanbruch, weil sie dann in ihrer vollen Kraft sind. Diese Kraft ist auch beim Verarbeiten spürbar: Der Majoran zum Beispiel wärmt uns richtig bei der Arbeit. Eine Giftpflanze wie der Blaue Eisenhut hingegen kostet Kraft. Wenn wir giftige Heilpflanzen verarbeiten, frühstücke ich morgens besonders gut und setze meine Kräfte bewusst ein. Ich trage dann auch Schutzkleidung und eine Schutzbrille. Jede Pflanze verlangt besondere Aufmerksamkeit.“
Haben Sie eine Lieblingspflanze?
„Ich mag den Bambus sehr: Er ist stabil und flexibel zugleich, hat eine ganz eigene Stärke. Als ich einen Bandscheibenvorfall hatte, hat mich der Bambus wieder aufgerichtet – physisch und psychisch. Er wächst sogar bei uns im Heilpflanzengarten, wird mit der Säge geerntet und in verschiedenen Arzneimitteln eingesetzt.“
Rhythmus
Rhythmus ist nichts anderes als ein Schwingen zwischen Polaritäten: zwischen Tag und Nacht, zwischen Ebbe und Flut, zwischen Sommer- und Wintersonnenwende und zwischen dem Ein- und Ausatmen jedes Lebewesens. Rhythmus gibt Schwung, er synchronisiert und organisiert. Er tut dies aber nicht starr wie ein Takt, sondern erlaubt Abwechslung: Sonst würden wir nicht vor Aufregung den Atem anhalten oder bei einem Strandspaziergang nasse Füße bekommen, weil eine Welle plötzlich aus der Reihe tanzt.
Wenn wir uns elementare Rhythmen bewusst machen, verbinden wir uns mit der Natur und mit ihrer Energie. In der WALA setzen wir den Wechsel von Wärme und Kälte, Helligkeit und Dunkelheit, Ruhe und Bewegung ein, um Heilpflanzenauszüge auch ohne Alkohol haltbar zu machen. Diese rhythmischen Verfahren zeichnen uns aus.